Ungewollt fremdgegangen – Gedanken zur Teilnahme am Sniper-Cup

Autor W. Achilles

Zusammenfassung

Mittwochabend Einladung bekommen. Sonnabend aufgeregt in den Wald gefahren. Kurze Begrüßung. Dann gings los. Drei Minuten Vorspiel. Acht Minuten das Wichtigste. Viel zu kurz. Nicht einmal alles verschossen. Verabschiedung nach Hause. Damit ist alles für unseren Bericht gesagt. Wenn da nicht die Gedanken wären…

Chronologischer Ablauf

Am Abend des 7. Juli 2021 nach dem Reha-Sport teilte mir meine Frau von Hubert mit: „Am 10. Juli, Sonnabend, findet in Bad Freienwalde ein Kneip-Cup, Großkaliber 100 m statt. Ob du (ich) mitkommen willst.“ Grünes Licht. Hubert angerufen. Ja, ich komme mit. Danke für die Einladung. Wenig (Corona) GK geschossen. Den Schweden rausgeholt. Ein wenig Handgriffe geübt. Die „DSB-Ordnung“ aufgeschlagen. Kapitel Wettbewerbe Großkaliber. Alles das was vor einem Wettkampf so vorbereitet wird. Noch einige Luftkugeln verschossen und gedanklich vorbereitet. Sonnabend früh halb acht mit Hubert getroffen. „Gib mir mal die Adresse, fürs Navi“. Hubert: „Hab ich nicht. Richtung Werneuchen, dann irgendwo links. Eine Senke runter und dann steht im Wald ein Schild, Schießplatz.“ Tatsächlich gelang es uns, wie in alten Zeiten ohne Navi eine Zieladresse zu finden. Während der Fahrt meine Frage: „Hat denn Bad Freienwalde überhaupt einen Schützenverein?“: „Nein. Der Verein liegt zwischen Eberswalde und Bad Freienwalde.“ War die Antwort. „Und wer ist Schirmherr des Kneip Cups? Immerhin haben die Kliniken in Bad Freienwalde welche.“ „Wieso Kneip Cup? Das ist der Niederbarnimer Kreismeister Sniper Cup.“ Ach so, ein Sniper Cup. Ist doch klar. Hab mich verhört. Meine weitere Frage: „Was passiert denn so bei einem Sniper Wettkampf?“ „Das kann ich dir auch nicht sagen.“, kam die Antwort. Am Ziel angekommen. Tief im Wald ein schönes Gelände. Feste Bauten. Sogar ein Vereinsheim. Alles nicht für uns, den Schützen. Es war ja Corona. Im Regen mit dem Einschreiben begonnen. Kurzer Fußmarsch unter ein offenes Zelt. Beim Einschreiben erstes Stutzen. Keiner fragte nach der Disziplin. Höfliche Anfrage unsererseits: „Wie sind denn die Regeln?“ „Also ihr könnt stehend, liegend, sitzend frei oder aufgelegt von uns aus auch auf dem Rücken liegend, schießen.“, äußerte sich der Schießleiter. Zunächst hatten wir keine Fragen mehr. Da wir beide zuerst da waren, starteten wir auch im ersten Durchlauf. Es folgte das allgemeine Prozedere des Schießleiters. Dann ging es zum Anbringen der Zielscheiben. Da wurde mir mulmig. Die Scheibe in meiner Hand sah so ganz anders aus. Ausgehend von unseren gewohnten 100 m Scheiben zeigte sich dieses Konstrukt nur etwa die Hälfte so groß wie unser gewohnte Scheibe. Oben links 4 kleine Ringe. Daneben 25 weitere Ringe. Jetzt konnten wir konkreter fragen.

Offizielles Statement

Links oben vier Probespiegel. Rechts davon 5 x 5 Spiegel. Spiegelmaße: Innenkreis weiß, welcher getroffen werden soll, 25 mm, Außenkreis schwarz 38 mm. Anzahl Probeschüsse auf die linken vier Spiegel egal, Zeit: 3 Minuten. Dann auf die 5 waagerechten und 5 senkrechten Spiegel je ein Schuss. Munition abgezählt 25 Patronen, ZF 12. Zeit 8 Minuten. Bei Fremdbeschuss (Treffer beim Nachbarn) Disqualifikation. Der Schütze, auf dessen Scheibe sich mehr als 25 Schüsse befinden, darf wiederholen. Und so ganz nebenbei: Die Spiegelgrößen imitieren auf der 100 m Bahn eine Entfernung von 300 m.

Start zum Probeschießen. Kurzer Blick nach links auf Hubert. Der gewohnt ruhig begann. Ich hatte gerade bis zum Start geschafft die 25 Patronen in der Schachtel von der Probemunition zu trennen. Das bereitet man gewöhnlich vorab vor. Viel zu schnell waren die 3 Minuten vorbei. Gerade 4 Schuss. Wenigstens die Anzahl für die „Betriebstemperatur“ beim Schweden. Eine Schweden-Mauser ist eine gute Waffe. Allerdings im Vergleich zu den modernen Waffen ein rudimentäres Fossil. Trotzdem kann damit auf diese Scheiben gut geschossen werden. Was mich auch beruhigte. Die Treffer landeten sogar häufig im Spiegel. Das Problem war ein ganz anderes. Auf jeden Spiegel ein Schuss! Spätestens nach der zweiten 5-er Reihe war die Übersicht weg. Zumal auch noch zwei „Blindgänger“ meine Munition beherbergten. Der Schießleiter fragte nur: „Selbstlader?“ „Ja.“  Im Ergebnis: 19 Treffer, 2 Fehlerpatronen und vier Patronen waren übrig. Die acht Minuten waren um. Auf einigen Spiegeln waren auch noch zwei Einschüsse.  Bei Hubert ganz anders. Routiniert wie wir ihn kennen, stellte er sich der Aufgabe. Das Trefferbild gar nicht so schlecht. Erste Rotte mit dem Wettkampf fertig. Vor zur Scheibe und zählen. Bei Hubert zählte man 26 Treffer! 25 hätten es sein müssen. Huberts Entscheidung: „Hier spielen wir sowieso nicht mit, fahren wir nach Hause.“ Die Wettkampfleitung widersprach. „Du hast sehr gut geschossen. Dir steht ein zweiter Durchgang zu. Es lohnt sich.“ Hubert gab nach und schoss eine zweite Runde. Gutes Trefferbild. Anzahl der Schüsse stimmte. Wie die Reihenfolge in der Wertung sein wird, war unklar, da nach uns noch viele Schützen auftauchten.

 

Gedanken danach

Hubert, aus Sicht unserer Spielregeln, stellte es als Herausforderung dar. Ungewohntes Milieu. Andere Strategien und andere Waffen (Langmagazine). Mit Einzellader nur schwer zu schaffen. Nochmals zur Erinnerung: Wir haben 45 Minuten Zeit. Dieser Wettkampf 8 Minuten! Ganz zufrieden war er nicht. Anders bei mir. Zuversichtlich hingefahren und ganz schnell auf den Boden der Realität gelandet. Es gab nur eins. Den Wettkampf optimal zu überstehen. Tatsächlich habe ich so geschwitzt, wie sonst nur nach einem Langlauf. Doch bereits beim Wettkampf, so ganz hinten in der Birne, keimten Gedanken. Möglichkeiten für das eigene Training. Wenn im Allgemeinen in der Trainingslehre auf die kristalline Intelligenz der Fokus gelegt wird (angelerntes/trainiertes Wissen), besteht mit den Ausflügen in andere Kugelsportbereiche, den Bogensport und weitere Bewegungslehren die Möglichkeit, die fluide Intelligenz (nach Cattel bezeichnet als die Fähigkeit, in neuen unbekannten Situationen zurecht zu kommen/überleben) für die eigene Schwerpunkt-Disziplin zu schulen. Dauert etwas länger, ist für den Normalsportler allerdings weitaus besser.

Resümee

Welche Gedanken Hubert als amtierender MOL Kreisschützenmeister hatte, selbst und mich zum Ausbruch aus der Familie – Tradition des SV Hönow, sportliche Regeln des überlegten bewussten Handelns beim Schießen (ein Vergleich zur japanischen Zen geführten Tee Zeremonie ist nicht verkehrt) zu animieren an einem, von Disziplin geprägtem, „Wildwest Flair“ Wettbewerb teilzunehmen, kann ich nicht sagen. Jeder sollte selbst den Blick über den Tellerrand suchen.

Für mich war es wohlwollend nicht nur über Zusammenarbeit und gegenseitigem Verständnis (Mitgliederversammlung Bogensportler und Kugelsportler) zu reden, sondern praktisch anderes zu erleben. Da glaube ich, dass der MOL Kreisvorstand trotz aller Probleme die Zeit verstanden hat. Ich wünsche mir mehr solche Ausflüge, ohne dass ich unsere eigenen Werte in Frage stelle.